Am 26. Januar 1998 wurden in Jena mehrere Wohnungen und Garagen im Zuge einer Razzia durchsucht. In der von Beate Zschäpe angemieteten Garage wurden vier funktionsfähige Rohrbomben gefunden. Der zum Durchsuchungszeitpunkt noch anwesende Uwe Böhnhardt konnte, ohne größeres Aufsehen zu erregen, mit seinem Auto wegfahren. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind noch am selben Tag untergetaucht.
Dreizehn Jahre später, am 4. November 2011, tauchten die drei Neonazis mit der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in Eisenach/ Zwickau wieder auf. In dem fünfzehnminütigen Bekennervideo übernimmt das Terrornetzwerk, auf perfide Art und Weise, die Verantwortung für neun bisher unaufgeklärte Morde und zwei Bombenanschläge. Auch die rassistische Berichterstattung der deutschen Medien wird wohlwollend in dem Video erwähnt. Später wird bekannt, dass auch eine Polizistin dem NSU zum Opfer fiel.
Die Reaktion der deutschen Linken auf den NSU und auf die Unfähigkeit sowie Untätigkeit des deutschen Verfassungsschutzes und der Polizei war, um es vorsichtig zu formulieren, verhalten. Nach einer Phase des Entsetzens und immer neuer Enthüllungen blieb es doch trotz des Ausmaßes der Taten des NSU auffällig ruhig in Deutschlands linker Szene. Es scheint, dass jeder sogenannte Revolutionäre 1. Mai in Berlin oder der Abriss einer baufälligen Häuserreihe in Hamburg mehr Wut erregt als ein neonazistisches Terrornetzwerk, das über Jahre hinweg Menschen ermordete. Mittlerweile wird man das Gefühl nicht los, dass das Interesse am NSU, dem Prozess gegen Beate Zschäpe und den Untersuchungsausschüssen fast bei Null angekommen ist. Dieser Tendenz trotzen mit wichtiger Arbeit Organisationen wie NSU Watch oder die Initiative Keupstraße ist überall sowie einzelne Journalist_innen und Antirasst_innen. Mit unserer Veranstaltungsreihe zum Themenfeld NSU wollen wir zum einen diese Tätigkeiten würdigen und unterstützen, aber auch gegen das zunehmende Desinteresse angehen.
Besonders in Sachsen, dem Land in dem das Trio Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos über Jahre lebten und rege Kontakte mit der sächsischen Naziszene pflegten, halten wir das für besonders wichtig. Denn sächsische Behörden stechen nicht nur durch das Unvermögen heraus, das Netzwerk trotz vorliegenden Hinweisen aufzudecken, sondern auch in der miserablen Aufarbeitung im darauffolgenden Untersuchungsausschuss. Das mag an purer Unfähigkeit liegen oder daran, dass der gleiche Rassismus, der die Täter des Terrornetzwerks zum Morden brachte, derart in der sächsischen Gesellschaft geteilt wird, dass es unmöglich wird diesen zu erkennen, geschweige denn abzulehnen.
05.05.: Der NSU und Sachsen. Vortrag von NSUwatch Sachsen.
Literaturhinweise zu der Veranstaltungsreihe gibt es hier!