Veranstaltungsreihe reproduktive Rechte

Am 20. September 2014 gingen zum “Marsch für das Leben” 5000 selbsternannte Lebensschützer*innen in Berlin auf die Straße um gegen Abtreibung, Präimplantationsdiagnostik, Sterbehilfe, Stammzellenforschung und, wie die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit in Zynismus kaum zu überbietender Art meinte, Euthanasie zu demonstrieren. Auch in Annaberg-Buchholz fanden sich zu einer ähnlichen Veranstaltung eine beachtliche Zahl von circa 500 Teilnehmer*innen ein. Diese Zahl ist in diesem Sinne beachtlich, wenn bedacht wird, dass es sich bei Annaberg-Buchholz eben nicht um eine Großstadt sondern um ein 20.000 Einwohner*innen zählendes Seelenörtchen im Erzgebirge handelt. – Doch im „sächsischen Biblebelt“ (Jennifer Stange) ist alles möglich.

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Audiomitschnitt – Mit Gott gegen Vielfalt?

Gern veröffentlichen wir hier auch Vorträge, die wir selbst nicht mit organisiert haben. Besonders, weil der folgende Vortrag von Jennifer Stange, der am 12.Oktober im AZ Conni statt fand, über christliche Fundamentalist*innen und ihre politische Agenda, so gut an unsere Veranstaltungsreihe im November anknüpft.


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Christliche Fundamentalist_innen haben zu vielen Themen klare Ansichten. Homosexualität halten sie für Sünde, Gendermainstreaming für einen Angriff auf eine natürliche Ordnung der Geschlechter und andere Religionen sind für sie schlicht Irrglauben. Mitnichten sollen solche Einstellungen Privatsache bleiben, christliche Fundamentalist_innen suchen gezielt nach politischer Einflussnahme – und das nicht nur in Sachsen.

Die Journalistin Jennifer Stange hat sich eingehend mit evangelikal-fundamentalistischen Strömungen in Sachsen und ihrer politischen Agenda auseinandergesetzt. Die Ergebnisse ihrer Recherche sind besorgniserregend. Neben homophoben, patriarchalen und islamfeindlichen Standpunkten ist auch der Schulterschluss mit so mancher rechtsradikaler Position erschreckend augenfällig. Wenn fundamentalistische Gesellschaftskritik dann noch auf lokal- und landespolitische Andockungspunkte statt auf klare Abgrenzung trifft – wie jüngst bei der Auseinandersetzung um den Bildungsplan 2015 in Baden-Württemberg–, greift dies die Grundfesten einer demokratischen, pluralistischen und aufgeklärten Zivilgesellschaft an.

Dem gilt es sich entschieden entgegenzustellen, weswegen am Nachmittag und Abend des 12.Oktober nicht nur die theoretischen Standpunkte christlich-fundamentalistischer Strömungen betrachtet werden, sondern auch über Gegenstrategien informiert und diskutiert wird. Jennifer Stange hat im Auftrag von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen einen Bericht zum „sächsischen Biblebelt“ verfasst. Sie wird Einblicke in das Werte- und Weltverständnis des christlichen Fundamentalismus und dessen politischer Anschlussfähigkeit geben.

27.11.: Vortrag: Zwangssterilisation von Romnja – nationale Biopolitik und intersektionale Diskriminierung

Zwangsterilisationen sind nicht „nur“ nationalsozialistische Verbrechen, sondern global immer da aktuell, wo ethnische oder andere Minderheiten unterdrückt werden. Der Vortrag beleuchtet Fälle von Zwangssterilisationen an Romnja und berichtet von den Herausforderungen, diese Form der intersektionalen Diskriminierung an Roma-Frauen aufzudecken und zu ahnden.

Referentin: Jana Gottschalk forscht zu sozialer Ungleichheit und Diskriminierung im Kontext von Arbeit, Migration und Gesundheit mit besonderem Fokus auf Intersektionalität. Ihr empirischer Schwerpunkt liegt auf den Mechanismen und Praktiken von Diskriminierung in den postsozialistischen Ländern Mitteleuropas im Zusammenspiel mit nationalen und supranationalen Akteuren.

Start: 20 Uhr

AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39, 01097 Dresden

20.11.: Vortrag: Selbstbestimmung und/oder Selektion? Eine kritische feministische Sicht auf Pränataldiagnostik

Abtreibungen sind in der BRD in den meisten Fällen weiterhin rechtswidrig. Im Zuge der Proteste gegen selbsternannte Lebensschützer_innnen ist der Abtreibungsparagraph 218 wieder in den Fokus feministischer Mobilisierungen gerückt. Gerne wird dabei die Forderung nach einem “Recht auf (körperliche/sexuelle/ reproduktive) Selbstbestimmung” erhoben und ungebrochen an die “Mein Bauch gehört mir” Kampagnen der 1970er Jahre angeknüpft. Damit wird eine innerfeministische Kritik an dieser Argumentation ausgeblendet. „Selbstbestimmt“ lässt sich nämlich nicht nur für eine Abtreibung entscheiden, sondern auch für vorgeburtliche Diagnosen, die fötale Abweichungen erkennen sollen und dann gegen ein behindertes Kind, eine selbstbestimmte Entscheidung im Rahmen der herrschenden ableistischen/ behindertenfeindlichen Normen. Diese Kritik versuchen „Lebensschützer“ zu besetzen und Bündnisse mit Behindertengruppen zu schmieden.

In diesem Vortrag soll hingegen eine feministische Kritik an pränataler Diagnostik dargestellt und nach einem anderen Konzept von Selbstbestimmung gefragt werden.

Referentin: Kirsten Achtelik ist Journalistin und Sozialwissenschaftlerin. Sie beschäftigt sich u.a. mit sexuellen und reproduktiven Rechten.

Start: 20 Uhr

AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39, 01097 Dresden

13.11.: Vortrag und Film: Der Kampf um den weiblichen Körper

Vielen Menschen erscheint das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Deutschland selbstverständlich, die Kämpfe um den §218 längst von der zweiten Frauenbewegung in den 70ern ausgefochten und gewonnen. Doch christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner_innen und Versuche, die Möglichkeiten selbstbestimmter Familienplanung einzuschränken, sind kein Problem der USA oder von Drittweltländern, auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren wieder vermehrt Kampagnen gegen die Selbstbestimmung von schwangeren Menschen.

Neben einem Film über die Kämpfe um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den 70ern wird Pro Choice Dresden über Märsche von christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner_innen in Deutschland und Sachsen sowie die Proteste dagegen berichten, danach kann gemeinsam diskutiert werden.

Referent_in: Pro Choice Dresden

Start: 20 Uhr

AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39, 01097 Dresden

06.11.: Vortrag und Film zum Recht auf Abtreibung international

In den meisten Ländern ist der Schwangerschaftsabbruch immer noch illegal oder aufgrund seiner Stigmatisierung nicht zugänglich. Weltweit sterben etwa 48.000 Frauen aufgrund dieser Illegalisierung, etwa 5 Mio. tragen schwerwiegende Gesundheitsschäden davon. Weltweit versuchen Konservative mit der Fokusierung auf die Rechte des Embryos die Lebensrealität und die Bedürfnisse von Frauen unsichtbar zu machen. Dieser Vortrag gibt einen Überblick über die Gesetzte und Bewegungen, die Frauen davon abhalten ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Diesen Themenkomplex werden wir anhand des Films Abortion Democracy – Poland South Africa zeigen:

Warum ist der Zugang zu einer illegalen Abtreibung in Polen leichter als zu einer legalen Abtreibung in Südafrika?
 Der Film vergleicht die politischen, legislativen und gesellschaftlichen Entwicklungen bezüglich des Schwangerschaftsabbruchs in den Ländern Polen und Südafrika.
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